Grußwort von Stefan Otter zur Abitur-Feier am 30.06.2023

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Sehr verehrte Damen und Herren, und vor allem:

Liebe Abiturientinnen und Abiturienten!

als Vorsitzender des Fördervereins habe ich heute auch die Ehre ein paar Worte an euch zu richten und später dann auch die Notenmäßig Besten mit einem kleinen Geschenk zu beglücken.

Heute ist ein wirklich besonderer Tag für euch alle. Ich möchte euch im Namen des Fördervereins ganz herzlich zum bestandenen Abitur gratulieren. Ihr habt wirklich Großartiges geleistet und „habt es einfach durchgezogen“! Ich finde das ist jetzt mal einen großen Applaus wert!

Heute ist auch für mich ein besonderer Tag. Weil es ist das erste Mal, dass ich die Fördervereins-Abi-Rede nicht wie in den letzten Jahren wegen Corona in Waldkraiburg halten „muss“, sondern genau an dem Ort wo ich selbst vor genau 24 Jahren stand und mein Abi Zeugnis in Empfang genommen habe.

Hätte mir damals jemand gesagt, dass ich einmal hier als Vertreter des Fördervereins stehe (Damals gab es noch gar keinen Förderverein), dem hätte ich gesagt: Ja, genau. Lass mich bloß mit der Schule in Ruhe, ich bin froh, dass der Wahnsinn jetzt endlich vorbei ist.

Und sofern jetzt nichts mehr dazwischenkommt, ist heute sogar ein doppelt besonderer Tag, weil meine Tochter Lisi an gleicher Stelle ihr Zeugnis bekommen wird.

Vielleicht ist es genau diese Art von Tradition, die diesen viel zitierten Gymnasium-Gars-Spirit ausmacht. Aber woher kommt dieser Spirit? Liegt es wirklich daran, dass sich viele Ehemalige, egal ob ehemalige Schüler oder Lehrer immer noch mit der Schule verbunden fühlen und sich engagieren? Ein Schuldirektor 18 Jahre im Amt bleibt und sein Nachfolger selbst hier mal Schüler war? Ja, So wird’s sein: Weil es hier in Gars seit 50 Jahren halt einfach etwas persönlicher und familiärer zugeht!

Und das sage jetzt ausgerechnet ich, der vor 24 Jahren nichts mehr von dem Laden hier wissen wollte, weil ich erstmal ganz andere Dinge vom Leben eingefordert habe und raus wollte aus diesem ländlichen Idyll. Heute ist es also so weit: ihr werdet alle aus diesem warmen Schulnest entlassen. Manche sehen es schon so – andere von euch brauchen erstmal etwas Abstand, aber ihr werdet sicher alle einmal feststellen: Ja, die Zeit hier in Gars war ganz o.k. und ihr könnt mit Freude und Stolz auf eure Schulzeit zurückblicken. Bis ihr diese Erkenntnis hoffentlich alle habt, schlage ich euch folgenden Deal vor: ihr lasst eure Eltern jetzt einfach weiter den Mitgliedsbeitrag für den Förderverein zahlen – also ich erteile hiermit ein allgemeines Austritts-Verbot – und in ein paar Jahren übernehmt ihr dann selbst die überschaubaren Kosten. Unter förderverein-gymnasiumgars.de findet ihr die Beitrittserklärung. Die darf sich übrigens gerne jeder runterladen und ausfüllen und unserem Förderverein beitreten.

Bis es so weit ist, verrate ich euch jetzt mal was: Manchmal ist der Job in so einem Förderverein ziemlich langweilig, viel spannender wäre es doch, wenn man die zwei Punkte auf dem O mal weglassen würde. Dann wird aus einem Förderverein ganz schnell ein Forderverein.

Ich habe daher einen „symbolischen“ Vorschlag für euch: Gründet einen Forderverein oder am besten mehrere! Denn ihr seid jetzt in der Zeit eures Lebens, um Forderungen aufzustellen. Ihr seid die neuen Herausforderer, die wir in unserer Gesellschaft so dringend brauchen.

Ihr dürft jetzt fordern! Ihr seid frei! Seid also laut und unbequem. Stellt Forderungen und verändert so eure Gegenwart und Zukunft. Hinterfragt alles, was euch gönnerhaft irgendwelche Förderer anbieten und handelt lieber nach euren eigenen Bedürfnissen! Lasst euch nicht von Social Media verarschen und

„glaubt keinem Prediger jedweder Couleur, der mit der Hölle droht und so die Welt erklärt. Sie haben meist mehr Angst als Trost in ihrem Angebot“ (Danger Dan).

Also: bleibt kritisch und stellt Forderungen auf. Und da ihr ja einen Forder-Verein e.V. nach deutschem Vereinsrecht gründet, muss natürlich auch gewährleistet sein, dass der Vereinszweck gemeinnützig ist und somit der Gesellschaft dient. Also – ihr könnt es euch denken – egoistische Konsum-Forderungen oder demokratiefeindliche Parolen, die euch über TikTok in eure Köpfe geblasen werden, haben in eurem Verein hoffentlich nichts zu suchen. Stattdessen geht es um das Einfordern von allgemein gültigen Werten, guten Perspektiven, und Lebensbedingungen. Also nutzt euren Verstand!

Gute Herausforderer wie ihr, kennen ihre Stärken, sie sind gut trainiert und gehen gut gerüstet in den fairen Wettkampf. Dieses Rüstzeug habt ihr mit dem Abitur nun bekommen. Ihr seid jetzt staatlich zertifizierte Herausforderer. Nutzt diese Kompetenz und traut euch was.

Fordern heißt übrigens auch nicht rummeckern, dass z.B. die Küche nicht aufgeräumt ist oder der Kühlschrank leer ist. Sondern fordern heißt helfen und aktiv gestalten.

Und dennoch: Fordern klingt schon irgendwie hart, aber ihr könnt ja auch höflich fordern und nett „Bitte“ sagen, und erst wenn das nichts hilft, dann setzt uns/den Alten auch mal die Pistole auf die Brust und fordert uns zum Handeln auf. Ich könnte jetzt ganz leicht den Bogen zum allgemeinen Wahnsinn in der Welt schlagen und aufzählen, wo und bei welchen wirklich wichtigen Themen ihr für eure Forderungen eintreten solltet, aber entscheidet selbst, welche Forderungen die Klügsten sind.

Kritiker meiner Idee könnten jetzt sagen: wer viel fordert, muss sich später an seinen eigenen Forderungen messen lassen. Also besser Vorsicht und lieber nichts fordern und sich wegducken. Oder: erstmal müsst ihr etwas leisten und dann darf man fordern!

Aber das sagen vermutlich nur diejenigen, die stehengeblieben sind, und einfach ihren Status bewahren wollen. Abgesehen davon: geleistet habt ihr ja jetzt ja schon mal was: ihr habt euer Abitur!

Das könnte ich jetzt alles weiter ausführen und dabei noch den ein oder anderen Witz einbauen, aber irgendwie ist mir heute gar nicht danach. Ich mache das jetzt anders und nutze die Chance, dass ich alles was man sonst noch in so einer Rede zum Thema Fordern und Fördern und Zukunft zu sagen hätte, in einem Brief formuliere.

Nicht abstrakt. Sondern ganz konkret, weil ja heute so ein doppelt besonderer Tag ist – für uns alle hier und jetzt. Und weil es bei uns an der Schule halt – wie eingangs gesagt einfach etwas persönlicher und familiärer zugeht und wir vom Förderverein dafür sorgen wollen, dass das auch in Zukunft so bleibt, beginnt mein Brief zwar ganz persönlich und familiär, aber er ist für alle Eltern und Förderer hier, die ihr mit euren Herausforderern und Herausforderinnen heute hier seid. Dieser kleine Brief ist einfach für euch alle.

Liebe Lisi –

Als du vor knapp 18 Jahren auf die Welt gekommen bist und die Hebamme zu mir sagte: „Jetzt, nimm sie hoch, das ist dein Kind,“ wusste ich, dass mit dir eine neue Zeit anbricht und wir diese Herausforderung annehmen. Du bist ein Grundstein unserer Familie. Wir waren damals ziemlich jung und hatten nicht wirklich einen Plan, wohin die Reise uns führen würde. Aber du hast uns herausgefordert und wir mussten uns einen Plan machen. Das sagst du immer noch ganz oft zu uns: „Was ist euer Plan?“ Manchmal haben wir dann noch keinen und dann müssen uns einen machen, weil du ihn forderst. Du hast uns immer herausgefordert und aufgefordert. Du hast Aufmerksamkeit und Liebe eingefordert und wir haben sie dir selbstverständlich gegeben. Du wolltest z.B. hartnäckig Fahrrad-Fahren lernen und schon mit 2 Jahren hast du das dann auch geschafft. Deine erste richtig große eigene Herausforderung war dann dein erster Schultag. Mir kommt es vor als wäre es gestern gewesen, dass du ganz schüchtern an der Hand von Feli in dein Klassenzimmer gegangen bist. Deine Schulzeit war für uns nicht die größte Herausforderung, weil du ziemlich selbständig deinen Weg gefunden hast, nur manchmal hast du von uns Hilfe eingefordert. Außer in Chemie und Physik. Da hast du uns gleich gar nicht gefragt.

Deine größte Stärke ist sicher, dass du sowohl andere als auch dich herausforderst, selbst wenn dir manchmal der erste Schritt schwer fällt. Da sind wir als deine Eltern – deine Förderer – immer an deiner Seite oder stehen hinter dir oder ziehen dich auch mal über die Schwelle. Ich finde da sind wir ein ziemlich gutes Team geworden und halten meist zusammen und geben uns Trost auch in dunklen Stunden. Wir können auch mal richtig streiten und uns immer wieder versöhnen.

Es ist o.k. nicht alles sofort zu können, glaub an dich, deine Bedürfnisse und Wünsche sind wichtig, hab Vertrauen in dich selbst, du kannst alles schaffen und findest immer eine Lösung, höre weiter auf dein Bauchgefühl und interessiere dich für Vieles, denn du darfst immer fragen, wenn du etwas nicht verstehst, du darfst deinen eigenen Weg gehen und kannst alles sein was du möchtest. Bleib so witzig, wild und fordernd, denn weil es dich, weil es euch ALLE gibt, ist die Welt so schön.

Titelfoto: Abiturientia Gars 2023, © Jonas Ganslmaier